Der Beruf Foodscout fasziniert. So auch der Mann: Richard Kägi ist zumindest in der Schweiz der Einzige, der diesen Titel tragen darf – er tut dies so selbstverständlich, wie die Queen ihre Krone trägt. Und wie die Krone die Königin, bringt auch sein Job ihn rund um die Welt, wo er seit 20 Jahren nach Delikatessen für das Warenhaus Globus sucht. Viele seiner Abenteuer und Entdeckungen beschreibt er in einer viel gelesenen Kolumne über Genuss und Kulinarik in der NZZ. Dazu kocht er in «seiner» Delikatessabteilung für spezielle Events und lässt sich dabei in die Pfannen schauen – es erübrigt sich fast zu erwähnen, dass seine Anlässe jeweils weit im Voraus ausgebucht sind. Wir besuchten den Foodstar in seinem Haus, das mitten im Grünen im Zürcher Dolderquartier liegt und wie eine Art roher Diamant versteckt hinter Bäumen und Büschen vielversprechend herausleuchtet.
Fotos: Rita Palanikumar für Sweet Home
Das Haus wirkt wie aus Holz, hat aber eine Metallfassade. Diese strahlt nicht nur Wärme aus, sondern ist laut Hausherr wartungsfrei. «Im Gegensatz zu den meisten anderen Fassaden braucht sie nie einen Neuanstrich oder gar Verputz», sagt Richard Kägi. Er liebt sein Haus, das er ursprünglich mit seiner ehemaligen Lebenspartnerin gebaut und eingerichtet hatte, und bis vor kurzem mit dem heiss geliebten Kater Buddha teilte. Es ist Kägis Zuflucht, die ihm nach den vielen Reisen ein echtes Nachhausekommen ermöglicht. Das Haus gehört zu einer gelungenen Überbauung auf einem grossen Grundstück am Zürichberg: diskrete Häuser, die trotz grossen Fensterfronten Privatsphäre bieten, gemischt mit viel Grün und Natur. Gar ein Bach fliesst durch die Gärten, und die Bepflanzung nimmt die Anmutung des nahe gelegenen Waldes auf.
Höhe ist es, die den Häusern Grösse und spannende Wohnfläche bietet. Der Entscheid, nicht in die Breite, sondern in die Höhe zu bauen, gibt den Häusern genügend Abstand und lässt dazwischen viel Raum für Grün. Richard Kägis Haus strahlt beim Eintreten eine Mischung von Ruhe, Stärke und Lebensfreude aus. Die Einrichtung ist entspannt: Da sind viele echte Ethnoelemente, nämlich Dinge, die Richard Kägi von seinen Reisen mitgebracht hat, satte Farben und eine grosse Portion Wohnlichkeit. Weil es in Hügellage steht, ist der Eingang in der mittleren Etage. Man steigt hinab, in den grossen, offenen Wohn-, Ess- und natürlich Kochraum. Hier lädt eine gemütliche Couch mit vielen bunten Kissen, Kuscheldecken und einem grossen, roten Teppich zum Verweilen. Die Couch richtet sich selbstverständlich zum Zentrum des Geschehens, nämlich zur Küche und zum Essbereich. Uns begeistert auch die Idee mit dem getarnten Fernseher. Dieser steht versteckt hinter dem sonnengelben Bild, das Richard Kägi in Indien von einem einheimischen Künstler malen liess.
Wir hatten mit dem geplanten Fototermin gewartet, bis es wirklich grün ist draussen – und es hat sich gelohnt, denn durch den vielen Regen in diesem Jahr ist das Grün noch üppiger und leuchtender als sonst. Dank den grossen Fenstern und Glastüren erweckt es fast den Anschein, in die Wohnung hineinzuwachsen. Im Garten ist ein gemütlicher Grillplatz eingerichtet mit klassischen, kleinen, dunkelgrünen Gartenmöbeln.
Wichtig, wunderschön und inspirierend ist die Küche, dank offenen, mit Leckereien und Utensilien gefüllten Regalen. Sie ist so etwas wie der Thronsaal. Davor steht ein grosser, aber leicht wirkender Holztisch mit eleganten Stühlen mit unterschiedlichen Formen. Vier davon sind von Richard Kägis Lieblingsdesigner, dem Dänen Hans Wegner. Hier wird gewohnt und gelebt, das ist auch erkennbar an Details wie Ablageschalen für Lesebrillen, Schlüssel und Kleinkram; Post und Zeitungen, die zum Lesen bereit gestapelt sind; Kerzen, die brennen, und Wohnaccessoires, die Bedeutung haben. Ein Beispiel dafür ist die, auf dem Portraitbild besser erkennbare filigrane südafrikanische Holzskulptur: ein Zweig mit geschnitzten kleinen Vögeln. Entdeckt hat sie der stets mit wachen Sinnen durch die Welt Reisende am Strand in Kapstadt. «Da sammelte jemand Schwemmholz«, erzählt Kägi. «Auf meine Frage, was er denn damit mache, zeigte mir der Mann seine daraus geschnitzten Kunstwerke und ich kaufte ihm gleich diesen Zweig mit den fast wie Blüten wirkenden hübschen kleinen Vögeln ab.»
Auch frische Blumen dürfen nie fehlen. Diese hat Richard Kägi gleich schnell auf dem Markt geholt, da er erst gerade von Ayurveda-Ferien aus Indien zurückgekommen ist. Der Mann weiss, was schön ist und wie es am besten zur Geltung kommt. So schneidet er seine Blumen gekonnt in die richtige Grösse, damit sie in die ausgewählte Keramikvase passen.
Auf dem offenen Holzregal in der Küche türmen sich Kägis Schätze: Gewürze, Tee, Tomaten, Eingemachtes und exklusive trockene Pasta, die laut dem Foodscout aus kleinen Manufakturen kommen und deshalb viel geschmackvoller sind als industriell gefertigte. Kochbücher, Notizen und vieles mehr, das Zeugnis abgibt, dass dies die Küche eines leidenschaftlichen Kochs und Geniessers ist.
Die Maschine, die zum Mann und seiner Küche gehört, ist natürlich der Rolls-Royce unter den Fleischschneidemaschinen. «Ich liebe frisch aufgeschnittenen Schinken und andere Charcuterie», schwärmt Richard Kägi, «es schmeckt einfach noch einmal viel besser als bereits geschnittenes Fleisch. Und weil ich gerne Echtes um mich herumhabe und Dinge mit Geschichten liebe, steht bei mir diese original Berkel aus den Fünfzigerjahren – die Maschine in Sachen Fleischschneiden. Sie ist antik und wurde von einem Spezialisten aufgemöbelt.»
Geschmack und Genuss zelebriert Richard Kägi nicht nur durch Gaumen und Nase, sondern auch mit dem Auge. So ist auf dem Regal seine Liebe zu schöner Keramik zu sehen. Da ist etwa die südafrikanische Wonki-Ware, die Kägi als Erster in die Schweiz gebracht hat. Die anderen Schälchen lässt er sich von einer Keramikerin in Kapstadt machen. «Ich kann Muster, Grösse, Farbe und Form bestimmen und dann die Stückzahl durchgeben,» sagt Richard Kägi voller Stolz. Südafrika ist eine seiner wichtigsten Reisedestinationen, und auch ein Land, das ihm besonders am Herzen liegt. Gerahmt an der Wand lehnen zwei Menükarten, die mit besonderen Erinnerungen verbunden sind.
Fast wie Kronjuwelen: Die grossen Kupferpfannen, die Kägi rege benutzt, wenn er für eine grosse Freundesrunde kocht. Andere fantastische und essenzielle Utensilien sind grosse, edle Mörser aus Holz.
Bücherregale haben für die Fotografin Rita Palanikumar und mich eine besondere Anziehungskraft. Wir sind immer wieder erstaunt, dass sie in vielen Wohnungen, die wir besuchen, ganz einfach fehlen. Nicht so bei Richard Kägi, hier finden wir gleich mehrere davon. Ein wichtiges ist natürlich gleich in die Küche integriert und bietet Platz für eine erlesene Kochbuch-Bibliothek. Dahinter türmt sich wunderschön Brennholz, die Axt lehnt noch daran – denn Holz selber hacken ist eine der neu entdeckten Leidenschaften des Hausherrn.
Auf die Frage, welches denn seine Lieblingskochbücher sind, antwortet der Experte, dass dies immer wieder andere seien, aber alle, die er uns mit Begeisterung zeigte, waren überraschenderweise von Frauen geschrieben.
Besonders liebt er momentan die Bücher der australischen Köchin Sky Gingell, die in London das Restaurant Spring führt. Er zeigt uns das wirklich schöne Buch und schwärmt von den tollen Fotos und interessanten Rezepten.
Im Wohnraum stehen noch mehr Bücherregale, dieses hier ist nicht nur prall gefüllt mit spannendem Lesestoff, sondern zeigt auch Fotos, Wohnaccessoires, Souvenirs, Leuchten und Kunst. Davor ein dekorativer, ornamental gemusterter runder Teppich in Schwarz und Weiss.
Die Verbindung zwischen den verschiedenen Etagen schafft eine Wendeltreppe. Diese zeigt auch den Mix von Metall und Beton. Beide Materialien zeigen Texturen und wirken dadurch lebendig. Ein anderes wichtiges Material ist Holz, das überall auftaucht und eine tragende Funktion in der Architektur hat. Vor der Treppe steht der grüne «Aussichtsstuhl», es ist der Teddy-Bear-Stuhl von Hans Wegner. Natürlich hat er eine Leseleuchte dazugestellt, so bietet sich ein wunderschöner Platz für gemütliche Stunden zwischen den Seiten von interessanten Büchern. Es sind eben Geschichten, die Richard Kägi in jedem Bereich interessieren. Auch sein eigenes Leben ist voll davon. Da ist etwa der Beginn seiner Karriere als Foodscout. Angefangen hat alles in Australien, wohin er gereist war, um Englisch zu lernen. Da er Geld brauchte und mehr vom Land sehen wollte, organisierte er am Wochenende kleine Abenteuerreisen für die Studenten. Sie liefen so gut, dass er eine Weile blieb. Zurück in Zürich, wurde er angeheuert in der Geschäftsleitung des Restaurants Movie, das zu Globus gehörte. Bald bot man ihm den Job als Einkäufer der Delikatessabteilung an, und er konnte auch beruflich wieder auf Reisen gehen. Und das tut er mit Leidenschaft – und sie führen ihn nicht nur in warme, abenteuerliche Destinationen wie Südafrika oder Asien. Als ich ihn während des Schreibens des Artikels anrief, um ein paar Dinge nachzufragen, fuhr er gerade von München zurück nach Zürich und schwärmte vom Frühstück mit Weisswürsten und Leberkäse und einem grossartigen japanischen Koch, den er dort besuchte. Auch bat er mich: «Schreib doch, dass ich gerne wieder eine Katze hätte, die auf mich wartet, wenn ich von meinen Reisen zurückkehre, ich bin auf der Suche nach einem jüngeren Karthäuser-Kater!»
Die Architektur zeigt ein Formen- und Materialspiel, das Kägi mit den Möbeln unterstreicht. Auf der Schlafzimmeretage finden wir formstarke Einzelstücke mit unterschiedlichen Strukturen, wie etwa diese beiden Sessel.
Eigentlich ist das Bett grösser als die Giraffe, die auch aus Südafrika kommt – auf jeden Fall ist es stattlich, und, so ähnlich wie die Fleischschneidemaschine, ein richtig gutes Stück. «Bei meinen Vorträgen, die ich oft zu Themen wie Qualität und Luxus halte, frage ich meine Zuhörer auch schon, worin sie denn mehr investieren: ins Auto oder ins Bett. Die meisten antworten ‹mit dem Auto›. Dabei verbringt man im Auto höchstens mal eine bis zwei Stunden pro Tag, im Bett aber idealerweise acht. Der Unterschied ist, dass das Auto alle sehen können und das Bett ein privates Möbel ist. Ich habe mich für das Bett entschieden – und schlafe fantastisch in meinem neuen, grossen Prachtstück!»
Ein anderes Prachtstück im Schlafzimmer ist eine grosse Häuptlingsbank aus dem Kongo. Auch sie ein Fundstück, das der Vielreiser nach Hause gebracht hat.
Eine gemütliche Ecke im Schlafzimmer mit Kommode, dänischem Retrostuhl, natürlich vielen Büchern und einem Bild von Richard Kägis Lieblingskünstler, dem Südafrikaner Peter van Straten. Wir sind wiederum begeistert, wie diskret getarnt das Rudergerät in der Ecke steht!
Wohnlichkeit findet sich überall im Haus von Richard Kägi. Hier mit einem weiteren formstarken Sessel von Wegner, der einen Platz auf dem roten Teppich gefunden hat.
Ein Traum von einem Badezimmer: Eine Badewanne aus ölhaltigem Teakholz bietet einen wunderschönen Ort für Pflege und Entspannung. Auch in diesem Raum sind Fundstücke aus anderen Teilen der Erde untergebracht. Richard Kägi bringt auch immer wieder Pflanzen aus allen Ecken der Welt mit, wie diese imponierende Alocasia aus Thailand.
Auf der anderen Seite befindet sich die Ankleide: Kein Schrank, sondern feste Architektur, die begehbaren Platz für hängende und liegende Kleider, Schuhe und Accessoires bietet.
Von der Dachetage herab ist das Konzept des Schlafzimmers mit Ankleide und offenem Bad schön erkennbar.
Die übergrosse Vase war einmal eine Palme in Burma und stammt aus einem Globus-Dekoverkauf. Um die Betonsäule gruppieren sich Bücherstapel.
Richard Kägi ist auch ein Mann, der Ordnung liebt. Alles hat seinen Platz und wird auch wieder dorthin geräumt. Im Entree wird man von einer langen Bank mit Familienfotos und einem Bild von Peter van Straten begrüsst. «Ich liebe die sanfte Melancholie in seinen surrealen Bildern», schwärmt Kägi.
Das Gästeschlafzimmer befindet sich auf der mittleren Etage, darin dominiert ein Elefant. «Ein ganz wilder Bulle. Als er uns bemerkte, musste unser Fahrer Vollgas geben, sonst hätte er uns eingeholt», beschreibt Richard Kägi sein eigenes Foto.
Das Haus bietet eine grosse Dachterrasse, die dank den hohen Bäumen und dem nahen Wald wie ein Garten wirkt. Die Einrichtung: Aussendusche, Ess- und Sonnenplätze sowie Küchenkräuter, Wasabi-Pflanzen und zwei Yuzu-Bäumchen, die hier oben schneckensicher wachsen.
Diskret zwischen den Bäumen guckt Richard Kägis Haus hervor und verbirgt die grossartige persönliche Wohnwelt eines Mannes mit einem interessanten weltoffenen Leben.
Der Beitrag Ein Mann, ein Haus – und was für eines! erschien zuerst auf Sweet Home.