Fotos: Rita Palanikumar für Sweet Home
Suzanna Vock empfängt uns in einem langen, wallenden rosa Kimonokleid, einer Blume im geflochtenen Haar und goldglitzerndem Lidschatten. Ihr Look erinnert an den der Bohemiens der 20er-Jahre, an die Plakate des Jugendstilkünstlers Mucha und daran, dass Styling eine sehr persönliche Angelegenheit ist und nicht bloss Diktat der Fashionindustrie. Das war schon immer das Credo der Luzerner Designerin und Modefrau. Aus dieser Motivation heraus hat sie 1992 die Gwand gegründet, bis 2005 eines der wichtigsten Schweizer Modeereignisse. Der Anlass gab jungen Designern die Chance, ihre Mode zu zeigen und einen Förderpreis damit zu gewinnen. Einer davon war Raf Simmons, der dank des Preises und seines Talents den Aufstieg auf die grosse internationale Modebühne schaffte.
Als Initiantin und Creative-Directorin der Gwand holte Suzanna Vock auch Modestars wie Vivienne Westwood oder Isabella Blow in die Schweiz. Suzanna reiste für ihre Mission um die halbe Welt und bewegte sich in dieser Zeit in der schicken Champagnerwelt der Mode. Sie selber aber beweist mit Secondhandkleidern und Selbstgenähtem, dass ein extravaganter, persönlicher Stil auch ohne viel Geld umsetzbar ist.
Das zeigt sie auch in dem gemütlichen, eklektisch im Bohemian-Stil eingerichteten Einfamilienhaus, in dem sie mit ihrem Mann Carlos und den beiden Kindern Luna (9 Jahre) und Salomon (2 Jahre) lebt. Ihre Familie hat denn die initiative Frau auch inspiriert für eine neue Idee in Sachen Mode. So arbeitet sie an einem Projekt, das Fairness und soziales Engagement mit einer spannenden neuen Kollektion für Frauen und Kinder verbindet. Einen Teil der Kollektion möchte sie gemeinsam mit Kindern und Frauen entwickeln, die in einer der ärmsten Regionen Kolumbiens leben. Sie gibt ihnen die Möglichkeit, einen Teil der Kollektion zu entwerfen. Suzanna Vock setzt dann die Kinderzeichnungen und Entwürfe in tragbare Kleider um und benennt diese nach ihren Schöpfern. Ein Teil des Verkaufserlöses geht an die Kinder und Frauen. Die Wahl ist nicht zufällig auf Kolumbien gefallen. Es ist das Heimatland ihres Mannes.
Die Modemacherin möchte damit den Frauen zu Arbeit und einem eigenen Einkommen unter fairen Bedingungen und den Kindern zu einer sinnvollen und kreativen Freizeitbeschäftigung verhelfen. Selbstverständlich spielen auch nachhaltig produzierte Naturmaterialien eine wichtige Rolle. Ein Projekt mit hohen Zielen in einer Branche, in der niedrige Löhne und riesige Profite an der Tagesordnung sind. Doch Reichtum ist nicht das Ziel der positiven, engagierten Frau, denn sie weiss, wie man aus wenig viel machen kann.
Suzanna Vock suchte eine Wohnsituation, die eine harmonische Verbindung von Familienleben und Arbeit erlaubt. Gefunden hat sie ein Einfamilienhaus aus den 40er-Jahren in der Nähe der Stadt Luzern. Eingerichtet hat sie es gemütlich und persönlich, mit Fundstücken, Möbeln und Accessoires, die sie von ihren vielen Reisen mitgebracht hat. Wie in der Mode ist ihr auch zu Hause vor allem der Ausdruck eines eigenen Stils und einer persönlichen Lebenshaltung wichtig.
Im Haus hat man das Gefühl, dass alles harmonisch gewachsen ist und ganz selbstverständlich einen Platz gefunden hat. Auch sind ineinanderfliessende Elemente überall ersichtlich. Die Natur kommt mit Pflanzen ins Haus. Festgehaltene Momente des Lebens sind in Form von Fotos und Souvenirs überall zu entdecken und zeigen, dass Wohnen hier sehr lebendig und kreativ ist.
Ein wichtiges Zuhause hat Suzanna Vock auch in der Mode gefunden. Schon früh begann sie, Kleider zu entwerfen und sich in einem extravaganten und einzigartigen Stil anzuziehen. Sie wollte beweisen, dass Stil auch möglich ist mit wenig Geld, und findet Kleider, die eine Geschichte haben, sowie die Kombination von Einzelstücken interessanter als fertig gekaufte und diktierte Outfits.
Das Einfamilienhaus, das in einem beschaulichen vorstädtischen Wohnquartier liegt, bietet genügend Räume, sodass Suzanna Platz hat für ihr Atelier und Büro. Als Mutter von zwei Kindern ist es wichtig, einen Weg zu finden, um Arbeit und Familienleben so einfach wie möglich unter einen Hut zu kriegen. An der Stange hängt gerade eine Serie Kinderkleider aus farbigem Kölsch.
Eines der hübschen, sommerlichen Kleider, dessen Schmuckfältchen an der Taille und den Ärmeln an die 70er-Jahre erinnern, gehört Tochter Luna. Weil sie es so hübsch findet, hat sie es neben den bunten Vorhang aus einem Tuch und hübschen Spielsachen und Schmuck ans Fenster gehängt.
Das Kinderzimmer ist im obersten Stockwerk und zeigt Dachschräge. Das findet Suzanna für Kinder besonders gemütlich und hat ihnen den Bereich unterm Dach wie eine kleine Kinderwohnung eingerichtet, mit Spielkaufladen, kleinem Tisch für Kindertee und Sitzmöbeln. Als Abgrenzung hat sie weisse Bücherregale eingesetzt.
Wohnen beginnt im Kinderzimmer! In diesem Sinn haben Suzanna und Carlos ihren Kindern ein kleines, hübsches Stübchen eingerichtet, in dem die Kleinen zum Beispiel Teetrinken, Verkäuferlis und andere Kindergeschichten spielen können.
In den Wohnräumen der Familie im Parterre wurde ganz nach Suzanne Vocks Rezept eingerichtet. Die Zutaten dazu sind: Mischen, was gefällt, die Welt nach Hause holen, Schönheit in den Alltag integrieren und lebendiges Wohnen zulassen. Der fantastisch bemalte Bauernschrank stand bereits in der Wohnung. Das Paar liess ihn am Ort, weil sein folkloristischer Stil auch ein wenig an Südamerika erinnert. Dem antiken Esstisch hat Susanna die Beine gekürzt und ihm eine kleine Renovation verpasst. Drumherum gruppieren sich kleine Stühle und Sitzpoufs, so isst die Familie ganz erwachsen und stilvoll auf Kinderhöhe!
Pflanzen sind ein zentrales Thema von Carlos. Er zieht, hegt und pflegt sie und bringt damit ganz viel Natur und Seele in das Haus.
In einem hübschen alten Buffet mit Glasschiebetüren stehen einige Schätze wie antike Parfümflaschen, Windlichter, Porzellanschälchen und Figurinen. Darauf sind Laternen und Vasen und kleine Truhen aus Marokko und Indien.
Suzanna räumt hier grad noch ein bisschen auf und wirkt dabei wie auf einem der berühmten Jugendstilplakate von Alphonse Mucha. Die Lilien in der Korbvase sind das perfekte Stylingelement dazu. Was hier inszeniert wirkt, ist aber zufällig und ein wichtiger Teil von Suzanna Vocks Stil, der auf eine selbstverständliche Art immer auch Geschichten erzählt und in fremde oder vergangene Zeiten entführt.
Esszimmer und Küche sind verbunden durch einen offenen Durchgang, der wiederum mit einer Stange versehen ist, an der Kräuter zum Trocknen hängen. Die Offenheit, der charmante Mix von Ethno- und Retroelementen und die vielen persönlichen Details geben diesem Bereich eine freundliche weltoffene Stimmung und das Gefühl, dass hier auch ein bisschen Ferien in den Alltag eingebaut wird.
Auf einmal duftete das ganze Haus fantastisch nach Fleisch und Kräutern. Carlos kochte für uns Empanadas, und zwar echte mit einem Hefeteig, würziger Fleischfüllung und einer feinen, typisch südamerikanischen Kräutersauce.
Wir geniessen die fantastische Mahlzeit im grossen, verträumten Garten unter dem Schatten der Bäume, aus chinesischen Schälchen und mit einer feinen Zitronenlimonade.
Der Garten und das Haus sind eine andersartige Oase im beschaulichen Einfamilienhausquartier. Suzanna hat die Bäume mit farbigen Laternen behängt, die hier, wie sie selbst, wie bunte Schmetterlinge in der Abendsonne leuchten.
Suzanna Vocks Websites:
suzanna-vock.com
modacorazon.org
Der Beitrag Ein Bohemien-Paradies in der Innerschweiz erschien zuerst auf Sweet Home.